24.04.2012 | Gemeinsame Stellungnahme zur Erhaltung der ermäßigten Mehrwertsteuer für bildende Kunst
Die reduzierte Umsatzsteuer hat sich in Deutschland seit Jahrzehnten als effektives Förderinstrument für die kulturelle Infrastruktur bewährt. Sie kommt im Bereich der bildenden Kunst den Urhebern und Galerien, den Sammlern und Museen zu Gute. Der Gesetzgeber hat auf diese Weise seinen Willen zur indirekten Förderung von Kunst und Kultur bekundet. Somit hat auch der ermäßigte Mehrwert-steuersatz dazu beigetragen, dass sich die Künste in Deutschland in einzigartiger Vielfalt entwickeln konnten und einem breiten Publikum zugänglich sind.
Dieser Aspekt wird selbst von der EU-Kommission im sogenannten „Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer“ aus dem Jahr 2010 gewürdigt. Darin heißt es, dass »ermäßigte Sätze ... häufig als kulturpolitisches Instrument gesehen werden, um den Zugang der Allgemeinheit zur Kultur und Bildung zu vereinfachen« und dass die »ermäßigten Steuersätze einiger Mitgliedstaaten ... den Binnenmarkt nicht zu stören scheinen«.
Ganz ähnlich heißt es auf der Website des Bundesfinanzministeriums: »Die Förderung von Kunst und Kultur steht im Mittelpunkt der Kulturpolitik des Bundes. ... Die steuerliche Förderung kultureller Zwecke ... leistet ihren Beitrag dazu, Kunstschaffende zu unterstützen und möglichst vielen Menschen Zugang zu allen Formen von Kunst und Kultur zu ermöglichen.«
Alle dies steht in krassem Widerspruch zu den Androhungen der EU-Kommission für den Fall, dass Deutschland die ermäßigte Mehrwertsteuer für Kunstwerke nicht in Kürze abschafft.
7 statt 19 Prozent: Die deutschen Kunstverbände appellieren einhellig an die Bundesregierung, insbesondere an den Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble, sich mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für Kunstwerke erhalten bleibt.
Viele Gründe sprechen dafür:
- Die Besteuerung von Kulturgütern ist fiskalpolitisch eher unbedeutend. Aus Sicht der Unterzeichner dieser Stellungnahme handelt es sich vielmehr um ein kulturpolitisches Thema, das der Kulturhoheit der einzelnen EU-Mitgliedstaaten obliegt. In diesem Sinne muss das Interesse Deutschlands als Kunst- und Kulturstandort gewahrt bleiben.
- Die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Kunstmarktes darf gegenüber den USA und der Schweiz nicht durch eine verschärfte Steuergesetzgebung stranguliert werden. Dies gilt insbesondere auch gegenüber Schwellenländern (Brasilien, Russland, China), in denen sich rasant neue, hochvitale, restriktions- und abgabenfreie Kunstmärkte entwickeln.
- Die gesamte Kunstlandschaft profitiert von der Basisarbeit der Galerien und des Kunsthandels. Deren Beitrag zur kulturellen Entwicklung und Bildung ist unverzichtbar und mit der Arbeit der Buchverlage strukturell vergleichbar. Die Vermarktung des „Kulturgutes Kunst“ kann deshalb steuerlich nicht anders behandelt werden als die Vermarktung des „Kulturgutes Buch“.
- Museen wollen ihre Sammlungen sinnhaft für die Zukunft weiterentwickeln und Kunstwerke entsprechend dem Forschungsstand erwerben. Die Ankaufsetats der öffentlichen Sammlungen sind in den vergangenen Jahren aber immer mehr geschrumpft. Ein voller Mehrwertsteuersatz für Kunstwerke würde die Handlungsfähigkeit der Kunstmuseen noch mehr einschränken.
- Mit einer Anhebung der Mehrwertsteuer um 12 Prozentpunkte wären Preiserhöhungen verbunden, die weder von den Marktakteuren geschultert, noch auf die Künstler oder Kunstkäufer abgewälzt werden können. Mittelständische und junge Galerien werden in eine akute Zwangslage getrieben, die zu einer Erosion des Kunstmarktes gerade in jenem Bereich führen wird, in dem Kunstvermittler auf eigenes Risiko große persönliche und finanzielle Anstrengungen für die Marktetablierung zeitgenössischer bildender Künstler leisten.
- Die Erhaltung der reduzierten Mehrwertsteuer schadet niemandem und ihre Abschaffung bringt keinen Nutzen. Eine Stagnation des Kunstbetriebs hätte nicht nur negative Auswirkungen auf die ohnehin labile wirtschaftliche Existenz der Künstlerinnen und Künstler, auch der Staatshaushalt hätte ein Nachsehen: Denn wo keine Umsätze erzielt werden, da fließen auch keine Steuereinnahmen.
- Bei der Mehrwertsteuer handelt es sich um eine Verbrauchersteuer. Kunstwerke und Sammlungsstücke werden jedoch nicht verbraucht oder konsumiert, sondern von ihren Eigentümern, den Sammlern und Museen, mit einem großen Aufwand an Pflege für künftige Generationen geschützt und bewahrt.
Die Bundesregierung hat vor fünf Jahren die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ gegründet. Im Fokus dieser Initiative stehen die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und die Ausschöpfung des Arbeitsplatzpotenzials der Kulturwirtschaft sowie die Verbesserung der Erwerbschancen ihrer Akteure. Von diesen Zielvorgaben - sollten sie keine Lippenbekenntnisse sein - sollte sich die Bundesregierung in ihrer Standfestigkeit gegenüber den Drohgebärden der Europäischen Kommission leiten lassen.
Die Unterzeichner fordern die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, dass bildende Kunst in den Anhang III der EU-Mehrwertsteuersystemrichtlinie aufgenommen wird. Nur die bewährte steuerliche Förderung ermöglicht es dem Kunstmarkt in Deutschland - und in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union -, sich in einem stetig verschärfenden globalen Wettbewerb zu behaupten.
Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler, www.bvdg.de
Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler, www.bbk-bundesverband.de
Deutscher Künstlerbund, www.kuenstlerbund.de
Deutscher Museumsbund, www.museumsbund.de
Bundesverband der Fördervereine Deutscher Museen für bildende Kunst,
www.bundesverband-der-foerdervereine.de
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine, www.kunstvereine.de
Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, www.bildkunst.de
Verband Deutscher Antiquare, www.antiquare.de
Bundesverband Deutscher Kunstversteigerer, www.kunstversteigerer.de
Deutscher Kunsthandelsverband, www.deutscherkunsthandel.org
Bundesverband des Deutschen Kunst- und Antiquitätenhandels, www.bdka.de
Stand: April 2012
Koordination und weitere Informationen:
Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler, Birgit Maria Sturm, sturm@bvdg.de