08.04.2025 | Kulturgutschutzgesetz | Neue EU-Einfuhrverordnung
Eine neue EU-Einfuhrverordnung stellt mit Nachdruck die Frage: Woher kommt die Kunst?
von Zacharias Mawick
aus: WELTKUNST INSIDER. Das Briefing für die Kunstbranche vom 01.04.2025
Was in Deutschland aufgrund des Kulturgutschutzgesetzes schon lange eine große Rolle spielt, wird nun auch auf europäischer Ebene an Gewicht gewinnen: die Prüfung ausländischer Rechtsnormen zur Klärung, ob die Ein- oder Ausfuhr legal ist. Ab dem 28. Juni 2025 treten die bereits 2019 beschlossenen Regeln zur Einfuhr von Kulturgütern aus Drittländern in Kraft. Diese sehen vor, dass Einführende für Objekte aus archäologischem Kontext, die älter als 250 Jahre sind, unabhängig von deren Wert eine Einfuhrgenehmigung einholen müssen. Die Antragsteller müssen zwingend die legale Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat durch das Einreichen entsprechender Dokumente belegen.
Doch der Anwendungsbereich des Gesetzes geht noch weiter. So ist für alle anderen Kulturgüter bei der Einfuhr zwar keine Genehmigung einzuholen, jedoch eine Erklärung abzugeben, wenn das Objekt älter als 200 Jahre ist und einen Wert von 18.000 Euro oder mehr aufweist. Durch die Erklärung versichern die Antragsteller, dass das Objekt legal aus dem Herkunftsstaat ausgeführt wurde. Sie müssen belegende Dokumente zwar nicht einreichen, jedoch für Kontrollen bereithalten.
In der Praxis beginnen sowohl im Rahmen der europäischen Einfuhrverordnung als auch bei den Regeln zur Ausfuhr aus dem älteren Kulturgutschutzgesetz an dieser Stelle die Probleme. Häufig stellt oder stellte das Herkunftsland keine oder keine eindeutigen Ausfuhrpapiere aus, oder die Ausfuhr wurde erst ab einem bestimmten Zeitpunkt und nur für bestimmte Kulturgüter beschränkt. Es liegt dann an den Antragstellern, diese Umstände nachzuweisen. Spätestens jetzt ist ein Blick in die Gesetze der Herkunftsländer unumgänglich, was häufig eine aufwendige Recherche und umfassende Sprachkenntnisse voraussetzt.
Zunächst ist es wichtig, sich zu verdeutlichen, dass das Herkunftsland das Land ist, in dem das Kunstwerk geschaffen wurde, nicht das Land, in dem sich das Kulturgut zuletzt befand. Bei einer Ming-Vase, die sich seit 500 Jahren in einer portugiesischen Sammlung befindet, ist dies China, nicht Portugal. Vor 500 Jahren gab es indes keine Ausfuhrbeschränkungen für chinesisches Kulturgut, sodass es in diesem Fall jedenfalls ausreichen würde, nachzuweisen, dass die Vase vor dem Inkrafttreten von Ausfuhrbeschränkungen exportiert wurde.
Nun ist es im Fall China gar nicht so leicht, überhaupt eine klare gesetzliche Regelung zu finden, die die Ausfuhr von Kulturgut beschränkt. Es fehlt bis heute eine eindeutige und öffentlich einsehbare Regelung seitens des chinesischen Gesetzgebers. Die daraus resultierende Unbestimmtheit wurde bereits vor einem deutschen Gericht diskutiert. Dieses ließ die schlichte Behauptung eines Exportverbots im Rahmen einer rechtlich nicht näher belegten Verlautbarung der chinesischen Regierung jedenfalls nicht gelten, mit der Folge, dass eine Beschlagnahme seitens der deutschen Behörden durch das Gericht aufgehoben wurde (VG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2020 – 5 K 7747/18).
KULTURGÜTER, FÜR DIE EINE EINFUHRGENEHMIGUNG ERFORDERLICH IST:
KATEGORIE |
MINDESTALTER |
ZOLLWERT |
Ergebnisse archäologischer Ausgrabungen (sowohl vorschriftsmäßiger als auch unerlaubter) und archäologischer Entdeckungen zu Lande oder unter Wasser
|
über 250 Jahre |
wertunabhängig |
Teile künstlerischer oder geschichtlicher Denkmäler oder archäologischer Stätten, die nicht mehr vollständig sind (Liturgische Ikonen und Statuen, selbst wenn sie frei stehend sind, sind als Kulturgüter zu betrachten, die unter diese Kategorie fallen)
|
über 250 Jahre |
wertunabhängig |
KULTURGÜTER, FÜR DIE EINE EINFUHRERKLÄRUNG ERFORDERLICH IST:
KATEGORIE |
MINDESTALTER |
ZOLLWERT
|
Seltene Sammlungen und Exemplare der Zoologie, Botanik, Mineralogie und Anatomie sowie Gegenstände von paläontologischem Interesse |
200 Jahre |
18.000 |
Gut, das sich auf die Geschichte einschließlich der Geschichte von Wissenschaft und Technik sowie der Militär- und Sozialgeschichte, das Leben nationaler Anführer, Denker, Wissenschaftler und Künstler und Ereignisse von nationaler Bedeutung bezieht |
200 Jahre |
18.000 |
Antiquitäten wie Inschriften, Münzen und gravierte Siege |
200 Jahre |
18.000 |
Gegenstände von ethnologischem Interesse |
200 Jahre |
18.000 |
Gegenstände von künstlerischem Interesse: - Bilder, Gemälde und Zeichnungen, die ausschließlich von Hand auf einem beliebigen Träger und aus einem beliebigen Material angefertigt sind (ausgenommen industrielle Entwürfe und handbemalte Manufakturwaren) - Originalwerke der Bildhauerkunst und der Skulptur aus einem beliebigen Material - Originalgravuren, -drucke und -lithografien - Originale von künstlerischen Assemblagen und Montagen aus einem beliebigen Material |
200 Jahre
|
18.000
|
Man mag nun voreilig denken, dass man sich – dem Beispiel der 500 Jahre alten chinesischen Vase folgend – bei Objekten aus alten Sammlungen immer auf der sicheren Seite befände. Leider ist dies nicht der Fall. Als in den 1820er-Jahren als Nebenwirkung der napoleonischen Kriege in Lateinamerika nach und nach die spanischen Kolonien die Unabhängigkeit erklärten, wurde in einigen dieser Länder in weiser Vorausschau und angesichts katastrophaler historischer Erfahrungen bereits jegliche präkolumbische Kunst als nicht handelbares Staatseigentum deklariert, als „res extra commercium“.
In Peru wurde so etwa mit dem „Decreto Supremo N° 89 del 2 abril de 1822“ bereits früh ein Gesetz geschaffen, das die Ausfuhr archäologischer Objekte verbietet. Im Falle einer Beschlagnahme durch die deutschen Behörden hat man dann schlimmstenfalls – vor den Gerichten herrscht hier noch Uneinigkeit – zwei Möglichkeiten: Entweder man kann Ausfuhrpapiere beibringen oder nachweisen, dass die Ausfuhr vor dem 2. April 1822 erfolgte. Im Rahmen der europäischen Einfuhrverordnung würde es aufgrund einer Sonderregel ausreichen, eine Ausfuhr vor dem 24. April 1972 aus dem Herkunftsstaat zu belegen, sowie die legale Ausfuhr aus dem Land, in dem sich das Kulturgut für einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren zuletzt befand.
Klassische Herkunftsländer, zu denen neben vielen lateinamerikanischen Staaten beispielsweise auch Ägypten und südeuropäische Länder gehören, weisen häufig eine lange Tradition des Kulturgutschutzes auf. In Italien reichen die ersten regionalen Beschränkungen bis in das 15. Jahrhundert zurück. Die Gesetze des italienischen Zentralstaats seit 1861 umfassten bei Weitem nicht nur archäologische Kulturgüter. Die ägyptischen Gesetze sind jüngeren Datums. Eine Ausfuhr sämtlicher Kulturgüter ist seit 1983 generell verboten. Der Staat verfolgt jedoch in der Praxis eine energische, rückwirkende Restitutionspolitik.
Auch in südeuropäischen Herkunftsländern kommen teilweise drakonische Strafen zur Anwendung, wenn Kulturgüter ohne Genehmigung ausgeführt werden. Das griechische Antikengesetz setzt auf Abschreckung: Es drohen bis zu zehn Jahre Haft, wenn auch nur kleinste Fragmente von Kulturgütern mitgenommen werden. Zuletzt reihten sich 2023 ein Deutscher und 2019 ein Österreicher in die wohl lange Liste derjenigen ein, die bei Kontrollen aufgegriffen und für ihre Reisemitbringsel zur Rechenschaft gezogen wurden.
Den typischen Herkunftsländern lassen sich auf der anderen Seite der Handelskette die Zielstaaten gegenüberstellen. Häufig handelt es sich um Industrienationen, deren Fiskus und Bevölkerung genügend Mittel zur Verfügung standen oder stehen, um sowohl die Ergebnisse eigener Kunstproduktion im Land zu erhalten als auch fremdes Kulturgut hinzuzukaufen. Länder dieser Art sind beispielsweise Deutschland, in noch stärkerem Maße die Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch Japan oder Argentinien.
Wenn überhaupt ist der Kulturgutschutz hier eine junge Entwicklung. Internationalen Abkommen zum Kulturgutschutz wurde erst spät beigetreten, etwa der maßgeblichen UNESCO-Konvention von 1970, und Generalklauseln, die bestimmte Objektkategorien generell als (eigenes) Kulturgut definieren, sind gegenüber dem vorherrschenden Listenprinzip selten.
Obwohl eine grobe Einteilung nach diesen Kriterien möglich ist, liegt das Problem häufig im Detail:
• Ist die Ausfuhr von kolonialem Silber aus Uruguay erlaubt? Ja, solange es sich um Objekte handelt, die sich aufgrund ihrer Seltenheit, Außergewöhnlichkeit oder durch ihr Alter nicht von der Masse abheben (Art. 15 B Ley N° 14040 vom 20.10.1971), was auch immer das im konkreten Fall bedeuten mag.
• Welcher Staat ist das Ursprungsland von antiken arabischen Münzen, die sowohl in der Golfregion als auch im Mittelmeerraum aufgrund ihres naturgemäß wanderfreudigen Charakters gefunden werden können? Die EU-Einfuhrverordnung mag sich damit behelfen, dass in diesem Fall die legale Ausfuhr aus dem Staat ausreicht, in dem sich das Objekt zuletzt für mindestens fünf Jahre befand. Dazu muss allerdings zunächst aufwendig belegt werden, dass überhaupt mehrere Herkunftsstaaten in Frage kommen – damit liegt der Ball wieder im Feld der Antragsteller.
• Und wie steht es um die Zugänglichkeit der rechtlichen Grundlagen, nach denen sich die legale Ausfuhr aus dem Herkunftsstaat beurteilt? Gibt es zum Beispiel ein Kulturgutschutzgesetz in Somalia, und wie finde ich es? Weder die Gesetzesdatenbanken der Bundesregierung noch der UNESCO können diese Frage immer zuverlässig beantworten. Im Fall von Somalia lautet die Antwort: Nein, es gibt dort noch keine Ausfuhrbeschränkungen für Kulturgüter. Allerdings organisierte die Somali Academy of Science and Arts (SOMASA) in Zusammenarbeit mit der UNESCO im November 2020 eine nationale Konsultation, um einen strategischen Plan für den Schutz und die Förderung des kulturellen Erbes in Somalia zu entwickeln.
Das Beispiel verdeutlicht nicht nur, wie schwierig es ist, verlässliche Informationen aufzufinden, sondern auch, dass man sich ständig über neue Gesetzesprojekte informiert halten muss.
An jede dieser Fragen schließt sich somit eine aufwendige Recherche an, die sich nicht jeder erlauben kann. Wenn der deutsche oder europäische Gesetzgeber hier eine zuverlässige Hilfe an die Hand geben könnte, zum Beispiel anhand einer gut gepflegten und funktionierenden Datenbank, wäre bereits viel gewonnen.. Bis dahin ist zu empfehlen, sich doch ab und zu zum Wohle der Due Diligence bei der Recherche auch in geografisch und historisch ferne Orte zu begeben. Man kann dabei zum Glück auch viel über die Geschichte und Kultur derjenigen Länder erfahren, aus denen die jeweiligen Kunstwerke stammen.
Zacharias Mawick ist Justiziar im Kunsthaus Lempertz, Köln, und der London-Repräsentant von Dtb-Rechtsanwälte, Berlin. Er ist auf Kunstrecht, Kulturgutschutz und Restitutionsrecht spezialisiert.
