12.02.2025 | Das Ukraine Art Aid Center schützt das ukrainische Kulturerbe
Das Ukraine Art Aid Center (UAAC) hat sich im März 2022 als informeller Verbund von rund einem Dutzend Engagierten konstituiert, die sich unter dem Schock der russischen Aggression für den Schutz der reichen Kultur des heimtückisch überfallenen Landes einsetzen wollten. Rasch fanden sich unterstützende Kolleginnen und Kollegen zusammen, die Sachspenden aus deutschen Museen und der Privatwirtschaft wie Verpackungsmaterial und Feuerlöscher auf Autobusse luden, welche in die Ukraine fuhren, um Flüchtlinge aus dem Land zu holen. Als improvisierte Sammelstelle fungierte zunächst eine Balettschule in Mainz.
Diese Lieferungen wurden mit größter Dankbarkeit aufgenommen – und so war schnell klar, dass der riesige Bedarf an Hilfsgütern im ukrainischen Kultursektor eine schlagkräftige Organisation mit langem Atem erfordern würde. Aus der Überzeugung, diese Hilfe unbedingt leisten zu müssen, entstand so schrittweise ein gefestigtes Netzwerk. Dessen mangelnde Rechtsform wurde wettgemacht durch Improvisation, durch „learning by doing“, besonders aber durch das rasch gewachsene gegenseitige Vertrauen, welches auf dem gemeinsamen Herzensanliegen ruhte. Mit den vielen Zoom Meetings wuchs auch das Knowhow, ebenso wie die Zuversicht, Geld- und Sachspenden für das gemeinsame Ziel akquirieren zu können. Sehr ermutigend waren da gleich zu Beginn zwei großzügige Spenden der Ernst-von-Siemens Kunststiftung und der Hasso Plattner Foundation. Sie ermöglichten die Organisation von LKW-Transporten und den Einkauf von Materialien und Ausrüstung, etwa der dringend benötigten Klimageräte zur Ertüchtigung der Lagerräume, in die die Sammlungen nach dem Großangriff hastig geschafft worden waren. Alsbald wurde auch das Haus der Beauftragten für Kultur und Medien auf das UAAC aufmerksam und bedachte dieses im Sommer 2022 mit einer siebenstelligen Summe, die es ermöglichte, die Hilfsmaßnahmen auf eine ganz neue Basis zu stellen. 2023 und 2024 wurde diese großzügige Förderung in ähnlichem Umfang durch das Auswärtige Amt weitergeführt und damit sichergestellt, dass der Fluss der Hilfslieferungen bis heute nicht abgerissen ist.
Denn leider hat der große Bedarf an Unterstützung über die vergangenen drei Jahre nie nachgelassen. Er zeigt sich immer wieder, gerade bei den vielen Angriffen auf die Innenstädte, etwa von Kyiv Anfang Oktober 2022, als die Sammlungen des Khanenko-Museums und der gegenüberliegenden Taras-Shevchenko-Universität nur dank der zuvor durchgeführten Räumungen unbeschadet davonkamen – oder von Zaporizhzhia am 23. Januar 2025, als die Bausubstanz des lokalen Museums durch eine Druckwelle beschädigt wurde. Bekanntlich zielen viele der russischen Bombardements auf kulturelle Einrichtungen. Manchmal wird deren Bausubstanz dabei so massiv in Mitleidenschaft gezogen, dass – wie im Fall der Kathedrale von Odesa – keine Wiederherstellung mehr möglich sein wird. In vielen anderen Fällen geht es etwas glimpflicher aus, indem etwa „nur“ das Dach oder Fenster und Türen eingedrückt werden, so etwa beim Angriff auf Tschernihiw im August 2023, bei dem das örtliche Theater stark beschädigt wurde. In solchen Fällen stellt das Ukraine Art Aid Center jeweils rasch OSB-Platten, Baufolie, Akkuschrauber, Stichsägen und ähnliche Hilfsgüter zur Verfügung – oder es gewährt Projektgelder, die es den Akteuren vor Ort ermöglichen, lokale Firmen mit den Sicherungen und notwendigsten Reparaturen zu beauftragen.
Neben Hilfslieferungen zur Sicherung von Kulturgütern und Bauten spielt auch die Beihilfe zur Digitalisierung mittels Lieferung von Kameras, Scannern, PCs und Speichermedien, ebenso wie die Sicherung der Energieversorgung mittels Generatoren, Solarpaneelen, Überbrückungsgeräten (sog. Eco-Flows) und Power Banks, eine große Rolle. Genauso wichtig sind gezielte Projektförderungen, etwa zur Herstellung von umfassenden 3D-Scans von Baudenkmalen und gefährdeten archäologischen Grabungsstätten wie der Skythenburg Bilsk, oder – im Rahmen eines durch das UAAC geförderten Projekts des Deutschen Dokumentationszentrums für Kunstgeschichte an der Universität Marburg – die Akquise von Fotografien von Baudenkmalen, die ukrainische Fotografinnen und Fotografen vor Ort anfertigen und die, versehen mit passenden Metadaten, Eingang in eine Wikibase-Datenbank finden.
Die täglichen Herausforderungen, die die ukrainischen Kulturinstitutionen in diesen Zeiten zu meistern haben, werden in regelmäßigen Zoom Meetings erörtert, in denen Kolleginnen aus der Ukraine – seltener Kollegen, von denen leider viele zum Kriegsdienst eingezogen wurden – zur Lage an ihren Institutionen berichten. So deprimierend die Anlässe dieser Kurzvorträge, so herzlich sind die menschlichen Kontakte, die sich daraus entwickeln. Unzählige Anekdoten verknüpfen sich mit dieser gemeinsamen Arbeit. Unvergesslich etwa ist die Mitteilung eines Museums aus Poltawa, ein Schweizer Museum habe mit einer großzügigen Kistenspende versehentlich auch ein Werk aus der eigenen Sammlung in die Ukraine geschickt – eine Druckgrafik, die alsbald natürlich wohlbehalten an ihren Herkunftsort zurückkehrte. Am dritten Jahrestag von Putins mörderischer Invasion nähren solch kleine Lichtblicke die Hoffnung, dass die Kampfhandlungen hoffentlich bald einem gerechten Frieden weichen, und dass die Hilfe zum Schutz des reichen ukrainischen Kulturerbes dann von kraftvollen Maßnahmen des Wiederaufbaus abgelöst werden mögen.
Text: Dr. Johannes Nathan, Potsdam (Februar 2025)
Spenden für das Ukraine Art Aid Center:
Deutsch-Ukrainische Gesellschaft für Wirtschaft und Wissenschaft e.V.
IBAN: DE49 5519 0000 0653 9900 10
Stichwort „Kulturgutschutz“
Falls Sie eine Spendenbescheinigung benötigen, kontaktieren Sie bitte vor Überweisung den Autor unter: j.nathan@nathanfineart.com
Abb.: Ankunft einer Spende von Verpackungsmaterial des UAAC im Chanenko-Museum in Kyiv im April 2022
