12.12.2024 | NACHRUF | Friedhelm Hütte. Eine Erinnerung an die frühen Jahre.
Die Nachricht von Friedhelm Hüttes Tod hat mich unvorbereitet getroffen. Noch vor wenigen Wochen hatten wir zusammen mit Freunden die Eröffnung eines Kunstortes in einer alten Schule vor den Toren Brandenburgs gefeiert, wo er mit Freunden auch Teile seiner eigenen gesammelten Kunst präsentierte. Das war ein Aufbruch in private Aktivitäten nach vierzig Jahren erfolgreicher Leitung der Kunstsammlung der Deutschen Bank.
Die Nachricht weckte auch Erinnerungen an den Beginn unserer Zusammenarbeit im Jahr 1986 und den Aufbau dieser schließlich weltweit größten Sammlung zeitgenössischer Kunst. Unter dem Einfluss von Joseph Beuys hatte Deutsche-Bank-Vorstand Herbert Zapp das Konzept für die Ausstattung der Frankfurter Doppeltürme und der deutschen Geschäftsstellen entworfen.
Der Vielzahl der Filialen entsprach auch die Größe der geplanten Sammlung: Sie würde Tausende von Arbeiten auf Papier von deutschen Künstler*innen umfassen. Eine weit größere Zahl von Werken wurde ab 1980 aus Galerien und Editionen zusammengetragen, aus der eine Ankaufskommission in regelmäßigen Sitzungen eine Auswahl traf. Die angekauften Werke wurden zur Rahmung gebracht und auf die Filialen verteilt.
Für diese Logistik brauchte es anfangs nicht viel mehr als Sorgfalt, eine ordentliche Mappe und einen Lieferwagen. So kam es, dass mein eben erst gegründetes Unternehmen mit vielen dieser Transporte betraut wurde. Wenn ich dann auf meinen Lieferfahrten die gerahmten Werke in die Schalterhallen und Büros brachte, kam es nicht selten zu spannenden Begegnungen mit der Belegschaft, denn Gefallen oder Begeisterung für zeitgenössische Kunst lassen sich nicht verordnen.
Wenn das Konzept der Kunst am Arbeitsplatz nicht scheitern sollte, musste man Offenheit und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst fördern. Diese spannende Aufgabe fiel dem dreißigjährigen Friedhelm Hütte zu. Zunächst verfasste er die biografischen und Werkinformationen zu den sechzig in den Türmen vertretenen künstlerischen Positionen, die der Belegschaft einen ersten Zugang zu der entstehenden Sammlung boten.
Außerdem hatte sich Friedhelm Hütte mit seinem Team um die Versorgung der vielen Filialen in der Fläche zu kümmern. Dabei bewies er Talent für „internes Marketing“ und verstand es, mit Fantasie und intelligenten Konzepten die oft skeptischen Mitarbeiter*innen der Bank mitzunehmen und für die Vielfalt zeitgenössischer Kunst zu öffnen.
So wurden große Hauptstellen zu „Flagship Stores“ des Kunstprogramms und sorgten besonders mit Werken von Künstlern aus der Nachbarschaft für regionale Verankerung und Identifizierung.
Bei den kleineren Geschäftsstellen war auch die „Deutsche Bank Grafik Edition“ erfolgreich: Für sie erwarb die Bank Auflagen und Editionen zeitgenössischer Grafik und bot sie den Filialen per Katalog zur Ausstattung an – nur die Rahmung und Installation mussten bezahlt werden. Dieser Akt der Auswahl schuf Identifikation mit der selbst ausgesuchten Kunst und half enorm, Kunst am Arbeitsplatz populär zu machen.
Diese frühe Phase der Kunstaneignung durch ein großes Geldhaus, seine Kundschaft und seine Mitarbeiter*innen habe ich selbst aus nächster Nähe erleben dürfen, denn Tandem betreute die Sammlung und ihren Aufbau von Beginn an. In den frühen Jahren habe ich gelegentlich noch erschrockene Mitarbeiter*innen getröstet: Man müsse das jetzt nicht schön finden, nur weil die Zentrale die Bilder geschickt habe. Besser sei es, die Kunst erst einmal wirken zu lassen und ihr und sich selbst eine Chance zu geben. Über diese Strategie der sanften Überzeugung erlebte ich immer wieder Einigkeit bei vielen gemeinsamen Einsätzen mit Friedhelm Hütte und seinem Team.
Seine Mittel waren nicht Lautstärke und Auftrumpfen, sondern seine ansteckende Begeisterung für Kunst. Sie war immer spürbar und wirkte weiter, als die Sammlung international und längst zu einem Global Player der Kunstwelt geworden war.
Wer einen lebendigen Eindruck von dieser Begeisterung erhalten möchte, höre sich das Interview an, das Friedhelm Hütte 2023 für Sebastian Späths Kunstblog „EXTREM DUMME FRAGEN“ gegeben hat.
Text: Klaus Hillmann, Potsdam, im Dezember 2024
Friedhelm Hütte (1957-2024) - Foto: Bernd Brundert