22.10.2014 | Zur Warhol-Affäre in NRW

Exportiert Nordrhein-Westfalens Finanzminister zwei Kunstwerke von Andy Warhol auch deshalb ins Ausland, weil die Umsatzsteuerbelastung im Inland so hoch geworden ist, dass sich Verkäufe in Deutschland nicht mehr lohnen?

Eine landeseigene Spielbank in Aachen beabsichtigt mit dem Segen des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen die Versteigerung zweier Kunstwerke von Andy Warhol – Triple Elvis (1963) und Four Marlons (1966) – am 12. November bei Christie´s in New York. Erworben wurden die Arbeiten in den 70er Jahren für 400.000 DM.

Nordrhein-Westfalen ist neben Berlin das Bundesland mit der größten Museumsdichte und einer hochvitalen Kunstszene. Dieses Bild wird von zahlreichen engagierten und namhaften Galerien und Kunsthändlern mitgeprägt.

Doch die Landesregierung NRW ist treibende Kraft einer schleichenden Erosion ihrer eigenen Kunstlandschaft und des deutschen Kunstmarkts insgesamt. Denn als Vorsitzender der Finanzministerkonferenz der Länder verhindert Dr. Norbert Walter-Borjans seit 10 Monaten die Anwendung einer längst beschlossenen, für Galerien und Kunsthändler wichtigen umsatzsteuerlichen Neuregelung. Diese hat nach dem Willen des Gesetzgebers ausdrücklich den Sinn, wirtschaftliche Nachteile des deutschen Kunstmarktes für den von der EU-Kommission erzwungenen Verlust der ermäßigten Mehrwertsteuer auszugleichen.

Exportiert der Finanzminister Kunstwerke auch deshalb ins Ausland, weil die Umsatzsteuerbelastung im Inland so hoch geworden ist, dass sich Verkäufe in Deutschland nicht mehr lohnen?

Weitere Fragen schließen sich an:

Wie hoch ist die potentielle Vermeidung von Umsatzsteuern bei einem Verkauf in die USA aller Voraussicht nach?
 
Wie kommt NRW dazu, durch einen kapitalen Kunstverkauf den amerikanischen Kunstmarkt zu stärken und den Kunstmarktstandort Deutschland zu schwächen? Plant NRW eine weitere Förderung der USA als schärfstem Wettbewerber des deutschen Kunstmarkts?
 
Die beiden Warhols unterliegen nicht dem Kulturgutschutz – so verkündete Minister-präsidentin Hannelore Kraft am letzten Freitag. Drohen mit dieser „Legitimation“ weitere Verkäufe von Kunstobjekten in NRW-Besitz unter ähnlichen Bedingungen?

Die Verantwortlichen haben den Sprengstoff, der in der Verkaufsaktion liegt, nicht erkannt: das spricht Bände über den ignoranten Umgang mit der Kultur und ihren Vermarktern.

Der Warhol-Verkauf offenbart, dass vor allem hochpreisige Kunstverkäufe abwandern werden, wenn der Verkäufer bei niedriger oder keiner Umsatzsteuer mit einem höheren Erlös rechnen kann. Dass ausgerechnet ein Finanzminister diesen Effekt nutzt und gleichzeitig den vollen Steuersatz von 19% für Kunstverkäufe durch Verschleppung und Boykottierung der gesetzlichen Kompensationsregel in Deutschland erzwingt, ist untragbar.

Der BVDG fordert, weiteren wirtschaftlichen Schaden von deutschen Galerien und Kunsthändlern umgehend abzuwenden. Bund und Länder müssen kultur- und steuer-politisch positive Zeichen setzen, die der Bedeutung des Handels für die bildende Kunst, für die Künstlerinnen und Künstler gerecht werden.

Der BVDG fordert, die 30%-Pauschalmargenregelung nach zehnmonatigem Vakuum endlich durch einen Anwendungserlass zu ermöglichen und Rechtssicherheit für den deutschen Kunstmarkt herzustellen. Dies ist Aufgabe des NRW-Finanzministers und seiner Kollegen in 15 weiteren Bundesländern.

Anderenfalls existiert das neue Gesetz nur auf dem Papier und ist faktisch nutzlos. Ein Umstand, der die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Kulturmarktbranche gefährdet.