16.11.2023 | BVDG-Grußwort zur Pressekonferenz der ART COLOGNE 2023

Zur Eröffnung der 56. ART COLOGNE hielt Anke Schmidt, stellvertretende Vorsitzende des BVDG, ein Grußwort zur Pressekonferenz. Lesen Sie hier das Statement zum Status Quo der Galerien, der ermäßigten Mehrwertsteuer-Thematik und der Partnerprojekte des BVDG.

Sehr geehrte Damen und Herren,

lieber Dan Hug, liebe Frau Schmithüsen,

ich freue mich, heute erstmals auf der Pressekonferenz sprechen zu dürfen. Das eröffnet mir als langjähriger Ausstellerin der ART COLOGNE – seit 2005 nehme ich selbst an der Messe teil – eine ganz neue Perspektive.

Wir Galeristinnen und Galeristen sind ja sehr fokussiert, auf unser Messesetting, auf die Künstlerinnen und Künstlern, auf unseren Betrieb. Dabei sollten wir die Strukturen und vielen Profis, die unsere Arbeit mit ermöglichen, immer im Blick haben. Deshalb ein herzlicher Dank an Dan Hug, stellvertretend für das fabelhafte Team der Koelnmesse. Sie sorgt seit 56 Jahren dafür, dass der Kunstmarkt – gemeinsam mit vielen Institutionen und Kunstmagazinen – einen professionellen Auftritt und viel Öffentlichkeit erhält.

Dass ich hier vor Ihnen stehe, ist Teil meiner – erfreulichen – Pflichten als stellvertretende Vorsitzende des BVDG, zu der ich im letzten Jahr gewählt wurde. Auch diese „Funktion“ (in Anführungszeichen) hat mir neue Sichtweisen eröffnet. Nämlich, dass der Kunstmarkt geprägt ist von Recht und Politik, von Institutionen und Behörden, von Innovationen und – zunehmender Regulierung. Das war mir vorher auch schon klar, aber eher passiv als aktiv. Ein Verband – die Mitarbeit in einem Verband – schärft den Blick für das Optimierbare und die Möglichkeiten einer Branche.

7 statt 19! Mehrwertsteuer im Kunstmarkt

Ich falle also gleich damit ins Haus, was im Kunstmarkt optimierbar und was möglich ist. Sie haben an dieser Stelle schon oft davon gehört und erkennen daran, wie wichtig es uns damit ist. Der Kunstmarkt leidet seit fast 10 Jahren am Verlust der ermäßigten Mehrwertsteuer. Davor, also VOR 2014, gab es ihn, wie für alle anderen Kulturgüter auch – und wie es ihn für die Künstlerinnen und Künstler bis heute gibt. Die steuerliche Ungleichbehandlung der Galerien war von der EU gewollt und in einer Richtlinie verpackt. Deutschland setzte sie um.

Dieselbe EU hat letztes Jahr – auf Initiative Deutschlands, angestoßen vom BVDG – genau diese Richtlinie positiv geändert: Die Ermäßigung für Galerien kann wieder eingeführt werden, die Diskriminierung hätte ein Ende. Aber diesmal ist Deutschland zögerlich und setzt nicht um. NOCH nicht, so hoffen wir.

Eine absurde Situation! 10 Jahre lang wurde damit argumentiert, dass 7 Prozent für Galerien unionsrechtlich nicht möglich ist. Jetzt ist es möglich – aber die Finanzpolitik verschanzt sich hinter der „schlechten Haushaltslage“. Als hätte das eine je mit dem anderen zu tun gehabt.

Im Koalitionsvertrag der Ampel steht klipp und klar – ich verkürze etwas, Zitat: „Wir wollen freie Kulturorte wie Galerien unterstützen“. Die wichtigste Unterstützung wäre die Wiedereinführung der 7 Prozent gemäß EU-Vorlage – das fordern wir von der Bundesregierung. Dem Kunstmarkt wird ja immer nachgesagt, er sei besonders „resilient“ – aber irgendwann reicht es dann mal mit dem Hinhalten. Die Zeit läuft uns davon.

Doch nun zum Erfreulichen, zur ART COLOGNE. Ich möchte im Folgenden drei Aspekte hervorheben, in denen sich die langjährige Zusammenarbeit von BVDG und Koelnmesse manifestiert. Abschließend dann eine Anmerkung zu einem Medienereignis des letzten Jahres und seinen Folgen.

ZADIK

Zunächst zum „Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung“ – kurz: ZADIK. Mit 180 Donationen von Galerien, Fotografen und Kuratoren hat es sich von einem finanziell stets gefährdeten Verein zu einem eigenständigen Institut der Universität zu Köln etabliert.

Das hätte seinen Gründungsvätern, den Galeristen Rudolf Zwirner und Hein Stünke, sicher sehr gefallen. Beide waren übrigens auch an der Gründung der ART COLOGNE und des BVDG maßgeblich beteiligt.

Sie erinnern sich vielleicht an die große Fotowand mit einigen Dutzend Portraits von GaleristINNEN letztes Jahr auf dem ZADIK-Stand? Es ist erfreulich – und überfällig, dass endlich mehr Licht auf die starken Frauen im Kunstmarkt geworfen wird.

Das ZADIK würdigt ­– im Jahr seines 30. Geburtstages – in einer Sonderschau mit Barbara Gross eine besonders herausragende Galeristin. Seit 1981 in München tätig, war sie mit ihrem primär auf KünstlerINNEN fokussierten Programm eine Pionierin. Auch als Autorin hat sie gegen die Ignoranz gegenüber der Kunst von Frauen angeschrieben. Schon früh gab Barbara Gross Editionen heraus – mit Leiko Ikemura, Valie Export, Ulrike Rosenbach, Maria Lassnig, Hanne Darboven und Rosemarie Trockel – oder hat Ausstellung mit ihnen gemacht. Namen, die heute nicht mehr wegzudenken sind! Und: Ihr war es auch wichtig, gezielt Frauen als Sammlerinnen zu gewinnen.

Die Ausstellung dokumentiert vor allem die jahrzehntelange Zusammenarbeit von Barbara Gross und Nancy Spero. Das ist absolut sehenswert und ein Highlight auf der diesjährigen ART COLOGNE. Barbara Gross wird übrigens heute zwischen 12.30 und 13.30 Uhr zu einem Empfang am Stand des ZADIK – und auch die nächsten Tage – anwesend sein.

ART COLOGNE-Preis 2023

Der jüngste Zugang des ZADIK ist übrigens ein Teil-Vorlass von Walther König. Womit ich beim nächsten Thema wäre: Wir freuen uns riesig, mit Walther König erstmals einen Buchhändler und Verleger mit unserem Kunstvermittlungspreis auszeichnen zu dürfen. Warum ist das nicht längst geschehen? Walther König ist uns Kölnern, ist der ART COLOGNE, ist allen Kunstfreunden so nah, dass bisher niemand auf diese – naheliegende – Idee gekommen ist.

Walther König ist der erste ART COLOGNE-Preisträger, der für die GESAMTE Kunstszene gleichermaßen wichtig ist – für die Künstler, Museen, Kunstvereine und Galerien, mit denen er unfassbar viele Bücher gemacht hat. Ebenso für Heerscharen an Kunstfreunden, Wissenschaftlern, Spezialisten und sonstigen Lesern. Und: auch für Jeden, der nur mal eben eine Postkarte oder einen Shop-Artikel im Museum kaufen will.

Von Anfang an, seit 56 Jahren ist Walther König auf der ART COLOGNE präsent, mitten im Eingangsbereich. Alle Besucher MÜSSEN an ihm vorbei. Jeder verliert sich mindestens EIN Mal in seinem stets bestens sortierten Bücherstand. Walther König ist zurückhaltender als andere Mitglieder seiner allseits bekannten Familie – aber nicht minder wirksam. Für seine Arbeit hochgeschätzt, ist er zudem eine der liebenswürdigsten Persönlichkeiten im Kunstbetrieb.

Der BVDG hat ihm zu Ehren eine kleine aber feine Präsentation ausgerichtet. Schauen Sie sich Stand D 017 an – direkt neben dem ZADIK. Dort ist unter anderem der „Walther König-Leseadler“ von Jörg Immendorf zu sehen. Eine Gabe im Zusammenhang eines wunderbaren Buches zum 60. Geburtstag, mit dem der Verleger vor fast 25 Jahren von seiner Familie, Freunden und Künstlern überrascht wurde.

Auf unserem Stand kann man auch in den fünf ATLAS-Bänden blättern, also im großen Ideen-Archiv von Gerhard Richter, von dem Dutzende Bücher bei König erschienen sind. Walther König ist ja DER Künstlerbuch-Verleger. Wir zeigen seine Genese von den Farbproben, Cover-Entwürfen, Originalzeichnungen bis zum fertigen Buch am Beispiel von „Religion of Love“ – ein Projekt, bei dem Richard Tuttle mit Agnes Martin zusammengearbeitet hat.

Sie wissen: der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wird gemeinsam von der Koelnmesse und dem BVDG verliehen. Die Ehrung findet morgen im Historischen Rathaus zu Köln statt. Ein „Begleiter seit Jahrzehnten“ wird die Laudatio auf Walther König halten: der bibliophile Kunstsammler, Mediziner und Gelehrte Rainer Speck.

Förderprogramm New Positions

Unser drittes Kooperationsthema heißt „New Positions“. Galerien sind ja die eigentlichen Entdecker neuer Talente und dies wird seit Anfang der 80er Jahre durch das Förderprogramm auf der ART COLOGNE gewürdigt. Es ist ein Best-Practice-Modell mit hohem Effekt, weil die ausgewählten Künstler eine wunderbare Chance erhalten, in den Kunstmarkt hineinzuwachsen.

Finanziert wird das Ganze vom Bund, organisiert vom BVDG, realisiert von der Koelnmesse. Und natürlich auch juriert. Dieses Jahr von dem Künstler Thomas Scheibitz und den Kuratoren Anja Casser (vom Badischen Kunstverein), Nadine Droste (vom Kunstverein Bielefeld) und Krist Gruijthuijsen (von den Berliner Kunstwerken). Sie haben 20 Künstler ausgewählt und ich möchte drei davon kurz vorstellen, von denen ich glaube, dass man in Zukunft noch einiges von ihnen hören bzw. sehen wird.

Zunächst Natalie Paneng. Die 1996 geborene, in Johannesburg lebende Künstlerin arbeitet mit Sound, Design, Mode und mit den Mustern und Narrativen ihrer südafrikanischen Herkunftskultur. Die Autodidaktin (!) hat sich digitale Techniken selbst beigebracht und verknüpft reale mit virtuellen Räumen. Darin, also in ihren Multimedia-Installationen, inszeniert sie sich selbst souverän und eindrucksvoll. Natalie Paneng wird von der Galerie Eigen & Art vorgestellt.

Die Schweizer Künstlerin Céline Ducrot, Jahrgang 1992, studierte in Leipzig und wird bei Kadel Wilborn gezeigt. Sie bleibt ganz beim analogen Tafelbild und arbeitet mit dem Airbrush. Wir betrachten ihre Figuren – solo oder in kleinen Gruppen – beim Sport, beim Inhalieren, Haareschneiden, in der Sauna. Scheinbar vertraute Situationen entgleiten ins Surreale, Nebulöse. Dinge und Akteure erscheinen kühl und hermetisch. Mit ihrer zeitgemäßen Bildsprache arbeitet sie auch als Illustratorin für Print-Medien, wofür sie 2018 einen Schweizer Design-Preis erhalten hat.

Jonas Roßmeißl kann man als klassischen, material- und formbezogenen Bildhauer bezeichnen. Doch auch er nutzt digitale Bildfindungsprozesse. Er gehört zu jenen Künstlern, für die eine intensive Phase der Recherche und ja, fast wissenschaftliche Erforschung eine Voraussetzung für künstlerisches Arbeiten ist. Seine Szenerien aus Objekten und Skulpturen bedürfen – wie so oft bei zeitgenössischer Kunst – der Erklärung. Dafür steht die Berliner Galerie Klemm´s bereit, die den Künstler vertritt.

Und wo gibt’s KI-generierte Kunst, werden Sie fragen? Bei den New Positions eher nicht und bei den Kollegen habe ich in der Aufbauzeit auch keine gesehen. Vielleicht übersehen. Vielleicht ist sie auf der ART COLGNE noch nicht angekommen. Ich kann Ihnen aber mitteilen, dass die Stiftung Kunstfonds mit Mitteln der Kulturstaatsministerin eine Studie über die Auswirkungen der KI in der Bildende Kunst in Auftrag gegeben hat. Auf das Ergebnis sind wir gespannt.

„Die Kunst des Lobbyierens“

Abschließend, wie angekündigt, ein paar Worte zu dem „Medien-Ereignis“, das – fast auf den Tag genau – vor einem Jahr unmittelbar vor Eröffnung der Art Cologne, loslegte.

Im Gewand einer „Investigativ-Recherche“ setzte der Deutschlandfunk zu einer Kampagne gegen das Hilfsprogramm NEUSTART KULTUR an, mit dem Galerien in der Pandemie durch den Bund unterstützt worden sind. Zur Erinnerung: Über zwei Jahre durften Galerien nur eingeschränkt arbeiten, wenn überhaupt. Veranstaltungen waren verboten, Messen fielen aus. Kurzum: Der Betrieb lag darnieder, keiner wusste, wie es weitergeht.

Anfang dieses Jahres nahm der DLF die Verlage ins Visier, die Diskreditierung der Coronahilfen im Buchmarkt verlief aber im Leeren. Die angekündigte Durchleuchtung der übrigen Kulturbereiche – Bühnen, Musik- und Filmszene – blieb gänzlich aus.

Letztendlich standen also primär die Galerien am Pranger. Es ist schon unglaublich, wie ein öffentlich-rechtlicher Sender – der in der Pandemie eines sicher nicht hatte: nämlich wirtschaftliche Existenzängste – hier mit Kulturbetrieben umgegangen ist. Warum nur dieser Affront gegen den Kunstmarkt? Warum kein Blick auf die Ausstellungen und Publikationen, die in und trotz der Pandemie durch die Hilfsprogramme ermöglicht wurden?

Wie auch immer: Der BVDG legte dem Rundfunkrat eine Beschwerde zur Serie „Die Kunst des Lobbyierens“ vor. Die Antwort des Deutschlandfunk-Intendanten war dünn und repetierend – man kann sie auf unserer Website nachlesen. Als eine Art Entschuldigung sollte wohl herhalten: Man habe dem Kunstmarkt nicht schaden, sondern bloß zeigen wollen, was „die Politik“ falsch gemacht hat.

Genau dort, in der Politik, kam die Affäre natürlich an – und hatte ein Nachspiel. Die „neue“ Kulturstaatsministerin (Roth) musste das gesamte NEUSTART-Förderprogramm ihrer Vorgängerin (Grütters) im Rahmen einer sogenannten „Kleinen Anfrage“ einer Bundestagsfraktion rechtfertigen. So eine „Anfrage“ ist ja ein bewährtes, demokratisches Mittel der Opposition, die Regierung aus der Reserve zu locken.

EINE Frage lautete: „Wie bewertet die Bundesregierung nachträglich die Förderung gewerblicher Galerien durch NEUSTART KULTUR?“

Dazu zwei Sätze aus der Antwort (die am 3. August in einer sog. „Drucksache des Deutschen Bundestags“ (Drs. Nr. 20/7929) veröffentlicht wurde). Zitat:

„Auch rückblickend ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Unterstützung von Galerien UND Kunstmessen in der Pandemie sinnvoll war, um … Ausstellungsmöglichkeiten für Künstlerinnen und Künstler offenzuhalten. Galerien haben neben ihren wirtschaftlichen Aktivitäten eine elementare Bedeutung für die Künstlerförderung und Kunstvermittlung – diese Funktionen wurden von NEUSTART KULTUR gezielt unterstützt.“

Dieses „Feedback“ hat uns mit den Vorgängen im letzten Jahr doch einigermaßen versöhnt. Und es ist auch eine nachträgliche Bestätigung für den BVDG, der sich intensiv für die Förderungen engagiert hatte. Insofern sind wir dem Deutschlandfunk fast dankbar. Denn auch Politiker denken bei Kunstmarkt und Galerien ja oft zuerst an das große Geld, teure Kunst, reiche Leute. So kannten wir das bisher. Dieses Bild hat sich nun gewandelt.

Denn es ist ein falsches Bild! Ich – WIR – wissen nur zu gut, wie aufwändig und langwierig, oft einsam und kompetitiv unsere Arbeit ist. Und der Blick auf den Kontostand ist auch nicht immer erfreulich. Vor allem dann, wenn die nächsten Investitionen getätigt werden müssen – in eine Ausstellung, in eine Messe, in ein Projekt.

Wahr ist auch, dass wir in Deutschland kaum Neugründungen im Kunstmarkt haben. Das ist für jeden Beobachter erkennbar und das wurde durch eine Studie des Wirtschaftsministeriums kürzlich nachgewiesen: Der Kunstmarkt trägt zum Gründergeschehen in der gesamten Kulturwirtschaft nur mit 1,5 Prozent bei (– was laut Studie etwa 150 bis 300 Unternehmen entspricht und meiner Ansicht nach zu hoch gegriffen ist).

Woran liegt das? Es hat sich herumgesprochen, dass Galeriearbeit sehr wenig mit Party, aber viel mit Arbeit zu tun hat. Dass auch der Kulturbetrieb, wie alle anderen Wirtschaftszweige, von ausufernder Bürokratie betroffen ist. Dass parallel zu vielen gesetzlichen Pflichten auch die Abgaben gestiegen sind: Die Künstlersozialabgabe etwa beträgt mittlerweile 5 Prozent. Dies und vieles mehr wird in der Floskel vom Kunstmarkt-Boom ausgeblendet.

Die ART COLOGNE wirft wie jedes Jahr ein Schlaglicht auf die Ist-Situation des deutschen Kunstmarktes. Sie ist etwas kleiner geworden, konzentrierter, etwas stiller. Das ist auch gut so, in einer von Krisen und schweren Konfrontationen geprägten Zeit.

Damit möchte ich schließen. Ich wünsche Ihnen einen anregenden Rundgang über die Messe, wir Aussteller sind wie immer offen für Gespräche und Informationen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und eine schöne Zeit auf der 56. ART COLOGNE!

 

 

Daniel Hug, Art Director ART COLOGNE & Anke Schmidt | Pressekonferenz ART COLOGNE 2023