10.02.2016 | Raimund Thomas erhält den ART COLOGNE-Preis 2016
Nach einem Architekturstudium realisierte Raimund Thomas eine ungewöhnliche Idee, um die damalige Galerienszene kennen zu lernen: Ein ganzes Jahr bereiste er die weltweit wichtigen Kunsthandelszentren. Es begann 1961 mit einem halbjährigen Aufenthalt in London, wo er sämtliche Galerien und viele Künstler in ihren Ateliers besuchte. Erste Anlaufstelle war die Galerie Marlborough, für die er ein Empfehlungsschreiben von Ernst Wilhelm Nay mitbrachte. Von ihm kaufte er sein erstes Bild – die Initialzündung für den Wunsch, eine eigene Galerie zu gründen.
Raimund Thomas setzte seine Tour d´Horizon zwei weitere Monate in Amerika fort und suchte vor allem in New York das Gespräch mit den führenden Galeristen dieser Zeit: mit Sidney Janis, Illeana Sonnabend und dem legendären Leo Castelli. Schließlich parkte er ein Wohnmobil im französischen Versailles und fuhr täglich nach Paris, um die dortige Museums- und Kunstlandschaft zu erkunden.
Die gewonnen Erfahrungen vertiefte der gebürtige Rheinländer mit einigen Semestern Kunstgeschichte in München. Dort eröffnete er 1964 in der Maximilianstraße seine Galerie, die sich seither zu einer führenden Adresse für klassische Moderne, deutschen Expressionismus und internationale zeitgenössische Kunst entwickelte hat. Erst kürzlich wurde der alte Stammsitz zugunsten größerer Räume in der Türkenstraße aufgegeben – direkt gegenüber dem Museum Brandhorst und inmitten des Münchner Kunstquartiers.
In der langen Ausstellungsliste der Galerie finden sich fast alle Künstlernamen, die für die deutsche Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts prägend gewesen sind. Neben der Malerei von Willi Baumeister, Max Ernst, Erich Heckel, Wassily Kandinsky, Gabriele Münter, Otto Mueller und Karl Schmidt-Rottluff galt das Augenmerk von Raimund Thomas stets auch der Skulptur – mit Ernst Barlach, Lothar Fischer und dem Spanier Chillida. Mit Louise Nevelson, Frank Stella und Tom Wesselmann wurden auch amerikanische Künstler in den Blick genommen.
1987 gründete Raimund Thomas in den Räumen einer ehemaligen Großbäckerei eine Kunsthalle – das A 11 Art Forum. Hier wollte er vor allem Künstlern der Gegenwart eine Gelegenheit für Ausstellungen und Installationen jenseits des kommerziellen Galeriebetriebs bieten. „Was ich in der Maximilianstraße verdiente, gab ich im A 11 Art Forum wieder aus“ – so Raimund Thomas. Bis zur Schließung des ambitionierten, aber nicht weiterhin privat finanzierbaren Projekts im Jahr 1990 wurden hier unter anderem eine Sammlung mit Werken von Joseph Beuys, Künstler der Transavanguardia – Francesco Clemente, Enzo Cucchi, Nicola de Maria, Mimmo Paladino – und bereits 1988 Arbeiten von jungen chinesischen Künstlern gezeigt. Auch Jean Michel Basquiat und Keith Haring hatten im A 11 Art Forum ihren ersten Münchner Auftritt.
Begleitend zu den Ausstellungen wurden von der Galerie Thomas über 200 Publikationen verlegt. Beispielhaft seien die gewichtigen Bände über das lithographische Oeuvre von Picasso, über Skulpturen von Botero, über die künstlerischen Parallelen von E.L. Kirchner und Edvard Munch oder die fünfbändige Serie „Meisterwerke“ zu Max Beckmann, Alexej v. Jawlensky, Paul Klee, Fernand Leger, Emil Nolde, Chaim Soutine und vielen anderen Künstlern genannt.
Die kontinuierliche Fortsetzung der Jahrzehnte währenden Kunstvermittlung der Galerie ist nicht zuletzt durch Raimund Thomas´ Tochter Silke gesichert. Mit dem Ziel, die Tradition der klassischen Moderne zu pflegen und neue Akzente auf zeitgenössische Kunst zu setzen, stieg die Kunsthistorikerin vor 20 Jahren in das Unternehmen ein und konnte eine so bedeutende Künstlerin wie Rebecca Horn gewinnen. Im Duett von Vater und Tochter potenzieren sich somit Professionalität, Expertise und ein Höchstmaß an Enthusiasmus für die bildende Kunst.
Mit Raimund Thomas würdigt der ART COLOGNE-Preis ein Gründungsmitglied des „Kunstmarkt Köln“, dem Vorläufer der heutigen ART COLOGNE. Seit 1967 zählt die Galerie Thomas zum festen Ausstellerstamm der weltweit ersten Messe für moderne und zeitgenössische Kunst. Sammler und Besucher erfreuen sich jedes Jahr an den einfallsreichen Inszenierungen der Stände, die oft um ein spezielles Thema kreisen und in denen die kreative Seite des Architekten Raimund Thomas zur Entfaltung kommt.