09.11.2011 | Zum Problem der Kunstfälschungen nach dem Urteil im Kölner Prozess "Sammlung Jägers"

Mit Interesse haben die Galerien und Kunsthändler des BVDG den Kölner Kunstfälscherprozess zur fiktiven "Sammlung Jägers" verfolgt – auch mit der Besorgnis darüber, dass ein solcher Skandal überhaupt möglich ist und wie er sich auf den Kunstmarkt auswirkt.

Ende Oktober 2011 wurden die vier Angeklagten, darunter der Drahtzieher Wolfgang Fischer-Beltracchi, nach einem Teilschuldeingeständnis zu relativ milden Freiheitsstrafen verurteilt. Die Täter hatten über Jahre, vermutlich Jahrzehnte, gefälschte Werke von modernen Künstlern mit fingierten Provenienzen und unkorrekten Expertisen in den Markt geschleust.

Der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler (BVDG) nimmt dies zum Anlass für eine grundsätzliche Stellungnahme.

1. Die Möglichkeit, die Hintergründe und den Verbleib dutzender weiterer Fälschungen zu erhellen, wurde durch das Kölner Landgericht nicht eröffnet. Zugunsten eines schnell erledigten Verfahrens wurde wirkliche Aufklärung nicht einmal angestrebt; weit über hundert Zeugen wurden nach dem strafmildernden Schuldeingeständnis der Täter nicht gehört.
Das Resultat: Ungewissheiten und Fragen, die auf lange Sicht, wenn nicht für immer ungeklärt bleiben. Das Ergebnis des Verfahrens ist mindestens ebenso skandalös wie sein Gegenstand.

2. Die Erfahrung zeigt, dass sich Kunstfälscher am Rand des Kunstbetriebs bewegen. Angetrieben von frustriertem Glauben an ein vermeintliches, unerkanntes künstlerisches Potential, verursachen Fälscher schwerste wirtschaftliche und persönliche Schäden: bei gutgläubigen Marktakteuren, bei Museen, bei privaten Kunstsammlern und nicht zuletzt - wegen massiver Urheberrechtsverletzungen - bei den Künstlern selbst.

3. Spezialisierte Kunsthändler und Galerien setzen auf genaue Prüfung der von ihnen angebotenen Kunstobjekte; sie kennen deren Herkunft und Provenienz. Dazu sind sie durch langjährige Erfahrung, den unmittelbaren Umgang mit Kunstwerken, den Austausch mit gewissenhaften Experten und durch eigene Recherchemöglichkeiten befähigt.
Galerien, die mit zeitgenössischer Kunst arbeiten, können durch die persönliche Nähe zu den Urhebern und eine detaillierte Kenntnis ihrer Werke garantieren, dass der Käufer bei ihnen wirklich Originale erwirbt. Diese Galerien und Händler sind die eigentlichen Experten im Kunstmarkt. Für ihr Wissen, für ihre Vermittlungsleistungen genießen sie bei Künstlern, Sammlern und Institutionen hohe Anerkennung und Vertrauen.

4. Die vom Auktionshandel entwickelte Datenbank steht einem kleinen Nutzerkreis zur Verfügung und ist lediglich als Informationsquelle über bereits erkannte Falsifikate hilfreich. Die Produktion von Kunstfälschungen kann damit in Zukunft nicht verhindert werden. Der große Einlieferungs- und Verkaufsdruck, dem insbesondere die Auktionshäuser unterliegen, erfordert erhöhte Sorgfaltspflichten.

5. Die betrügerischen Praktiken der Fälscher wurden von der Öffentlichkeit nach ihrer Aufdeckung als "Entlarvung" des Kunstmarktes umgedeutet. Die Verdrehung der moralischen Vorzeichen vor Täter und Geschädigten ist jedoch irrational. Strafrechtlich relevante Handlungen von Einzelpersonen sind nicht auf den Kunstmarkt in seiner Gesamtheit übertragbar.
Jedoch: Durch den Fälscherskandal ist ein gewichtiger Anlass zur Auseinandersetzung gegeben. Diese Diskussion findet auf jeder Ebene im Kunstmarkt statt und wird bei seinen Akteuren zu erhöhter Vorsicht führen.

6. Kunstfälschungen dringen, wie der aktuelle Fall gezeigt hat, primär in den relativ kleinen Bereich des Hochpreismarktes ein; auch sehr bekannte, populäre Künstler können Opfer von Fälschern werden. Kunsthandel erschöpft sich jedoch nicht im Hochpreis- und Künstlerstar-Segment. Im Gegenteil: Galerien und Kunsthändler leisten in der Breite engagierte Vermittlungsarbeit für authentische bildende Kunst.

7. Es ist nicht auszuschließen, dass auch seriöse Kunsthändler unverschuldet mit Fälschungen konfrontiert werden – ein Dilemma, das kein Marktteilnehmer je erleben will. Die Prüfung der Herkunft oder Identität vormaliger Eigentümer ist in der Regel möglich; im Zweifelsfalle ist der Stilkritik eine naturwissenschaftliche Untersuchung unbedingt vorzuziehen.

8. Es ist ein primäres Anliegen des BVDG, der Öffentlichkeit die besonderen kulturellen Leistungen der Galeristen und Kunsthändler deutlich zu machen. Mit der Gründung des Zentralarchivs des internationalen Kunsthandels (ZADIK) im Jahr 1992 hat der BVDG dazu beigetragen, dass auch die Erinnerung an die Geschichte des Kunsthandels wach gehalten wird. Das Institut ist heute unter anderem deshalb hochgeschätzt, weil es anhand der Nachlässe bedeutender Galerien eingehende Provenienzforschung über viele Künstler und Kunstwerke ermöglicht.

9. Kunstfälschungen müssen, sobald sie im Markt entdeckt werden, endgültig aus dem Verkehr gezogen werden. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier endlich entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Kunstfälschungen sind und bleiben Fälschungen – auch wenn sie nach fünfzig Jahren wieder aus den Kellern oder Asservatenkammern hervorgeholt werden.
Kunstfälscher handeln weder als verkannte Genies noch als Wohltäter, sondern schlicht kriminell und eigennützig. Ihre Hervorbringungen sollten, wenn nicht vernichtet, so zumindest für jedermann sichtbar als Falsifikate kenntlich gemacht werden.