02.12.2024 | NS-Raubkunst und kein Ende

Der "Entwurf eines Gesetzes zur erleichterten Durchsetzung der Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut" – kurz: NS-Raubkunstgesetz – wurde 2024 drei Mal in Ausschüssen des Deutschen Bundestages debattiert. Zu Wort kamen Beamte der federführenden Ministerien (Kultur und Justiz), Abgeordnete und Sachverständige. Der Gesetzentwurf wurde als vollkommen unzulänglich abgelehnt. Ein Kommentar von Birgit Maria Sturm.

Noch nie habe sie eine Anhörung erlebt, in der ein Gesetz so sehr abgelehnt wurde – sagte eine Abgeordnete im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Dort wurde am 2. Dezember abermals über das geplante „NS-Raubkunstgesetz“ debattiert. Die Vorsitzende des Kulturausschusses, in dem bereits am 4. November rhetorisch die Fetzen flogen, verlangte gar, man solle die Referenten austauschen, die solche Entwürfe schreiben: Es sei nur copy and paste, was hier fabriziert wurde. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, bezeichnete den Entwurf als peinlichen Etikettenschwindel, eine Nullnummer. Der Stellvertreter der Kulturstaatsministerin – die zu beiden Terminen nicht anwesend war – musste harsche Kritik über sich ergehen lassen: Die Eckpunkte zu einem „Schiedsgericht“, das die abgeschaffte ehemalige Limbach-Kommission zur Klärung von Restitutionsfällen ersetzen soll, lagen nicht vor, obwohl sie auf der Tagesordnung standen. So lehnten die Sachverständigen den Gesetzentwurf unisono ab, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.

Im deutschen Kunsthandel werden sehr viel mehr Kunstwerke restituiert als von Museen: fair und gerecht, durch paritätische Aufteilung der Verkaufserlöse zwischen Anspruchsstellern und heutigen Eigentümern. Kunsthändler investieren viel Zeit in den Ausgleich beider Seiten, hier ist Geduld, Feingefühl und Expertise gefordert. Diese bewährte Praxis wird zunichte gemacht, wenn rechtstaatliche Prinzipien wie die Verjährung oder Ersitzung acht Jahrzehnte nach der NS-Diktatur demontiert und gutgläubiger Erwerb via Beweislastumkehr nachgewiesen werden soll, wie es der Gesetzentwurf vorsieht. Anstelle eines „NS-Raubkunstgesetzes“ sollte es ein Restitutionsgesetz geben – so das Fazit beider Anhörungen.

Ein solches Restitutionsgesetz müsste im Kern angemessene Entschädigungsregeln für die heutigen privaten Besitzer enthalten, die das Kunstwerk gutgläubig im seriösen Kunsthandel erworben haben. Der Kunsthandel ist eine Art Kreislaufwirtschaft und kein Wissensspeicher für jedes Detail einer Provenienzgeschichte. Ganz anders verhält es sich in den Museen, wo abgepresste und enteignete Kulturgüter jüdischer Eigentümer oftmals seit dem Zeitpunkt der Taten ab Ende der 1930er-Jahre bis heute kontinuierlich verblieben sind.

Nur eine staatlich finanzierte Rückgabe nachweislich geraubter Kunstwerke würde der viel beschworenen moralischen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland – die rechtlich als Nachfolgerin des NS-Staates gilt – endlich Taten folgen lassen. Man kann nur hoffen, dass in der kommenden Legislaturperiode der alte Gesetzentwurf nicht wieder aufgebrüht, sondern dass nochmals gründlich nachgedacht wird. Das setzt vorurteilsfreie Gespräche der Politik mit allen Betroffenen voraus. Die neue bzw. nächste Regierung sollte historische Altlasten nicht auf Kunstsammler projizieren oder auf den Schultern des Kunsthandels abladen. Letzterer ist nicht Teil des Problems, sondern ein wichtiger Teil der Lösung.

Die Publikation „Fair und Gerecht? – Restitution und Provenienz im Kunstmarkt“ bietet aufschlussreiche Informationen zur Restitutionspraxis im Kunstmarkt sowie über die Herausforderungen, die damit für jeden einzelnen Kunsthändler verbunden sind – ohne dass es jemals Unterstützung aus der Politik für diese wichtige Aufgabe gegeben hätte. Der Band wurde von der Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandelsverbände im Nachgang zu einer Tagung in München 2019 herausgegeben. Weitere Informationen und ein Link zum kostenlosen Hochladen finden sich hier.

BVDG / Birgit Maria Sturm, Dezember 2024

 

 

Die anhängenden Dokumente geben einen Einblick in den geschredderten Gesetzentwurf sowie in die Stellungnahme des deutschen Kunsthandels aus der Feder der Sprecherin der Interessengemeinschaft Deutscher Kunsthandelverbände, Dr. Christina Berking, die in beiden Anhörungen als Sachverständige eingeladen war.

Der BVDG hat alle relevanten Praxishilfen zu den Sorgfaltspflichten und zur Provenienzrecherche, die das Kulturgutschutzgesetz dem Kunsthandel auferlegt, auf seiner Website zusammengestellt. 

 

Abb.: Alexander Kanoldt, Stilleben I,1927, Öl a. Lw. | Beispiel der Restitution eines Kunstwerks unter Mitwirkung des deutschen Kunsthandels. Das Bild befindet sich heute im Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg.

Alexander Kanoldt, Stilleben I,1927, Öl a. Lw.