12.03.2014 | Steuerchaos im deutschen Kunstmarkt

Drei Monate nach Geltung eines neuen Steuergesetzes ist keine Regelung für die Praxis in Sicht. Die Folge: Destabilisierung und komplette Verunsicherung aller Galerien und Kunsthändler.

Anfang 2012 hat sich die Bundesregierung dem Druck der EU gebeugt und die ermäßigte Mehrwertsteuer für Verkäufe von Kunstwerken durch Galerien und Handel abgeschafft.Es begann ein langer Kampf für eine „Kompensation“, an dem der BVDG maßgeblich beteiligt war. Der Kunstmarktstandort Deutschland sollte bestmöglich geschützt und wettbewerbsfähig erhalten werden – und die neue Regelung musste mit EU-Recht vereinbar sein.

Eine Lösung wurde gefunden: Eine speziell für den Kunsthandel geltende Variante der Differenzsteuer, die sogenannte 30%-Pauschalmarge. Sie wurde in das Umsatzsteuer-gesetz aufgenommen und gilt seit dem 1. Januar 2014.
Zwecks Rechtssicherheit ist, wie bei vielen Steuergesetzen, ein sog. Anwendungserlass nötig, dem die Finanzministerien der Bundesländer zustimmen müssen. Doch diese sträuben sich gegen eine handelsfreundliche Regelung und gefährden damit die Zukunftsfähigkeit einer ganzen Kulturbranche.

Prof. Monika Grütters, Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, stellte im Gespräch mit dem BVDG klar:

„Deutschland braucht einen florierenden Kunstmarkt und eine lebendige, vielfältige Galerienlandschaft. Dazu tragen die Rahmenbedingungen für Galeristen und Kunsthändler ganz entscheidend bei. Der Bundesgesetzgeber hat daher zu deren Sicherung mit der pauschalierten Marge im Rahmen der Differenzbesteuerung eine EU-konforme Regelung nach französischem Modell beschlossen, mit der der teilweise Wegfall des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für die Lieferung von Kunstgegenständen kompensiert werden kann. Es ist nun an den Länderfinanzministern, eine kulturverträgliche praktische Anwendung dieser Neuregelung sicherzustellen. Ich appelliere daher nachdrücklich an die verantwortlichen Finanzminister in den Ländern, umgehend Rechtsklarheit in dieser Sache herzustellen und werde den BVDG weiterhin in seinen Bemühungen unterstützen.“

Der BVDG begrüßt die Position der Kulturstaatsministerin sehr. Mit ihrem Vorgänger wurde die 30%-Pauschalmarge auf den Weg gebracht. Vorbild ist eine entsprechende Regelung, die in Frankreich sowohl von Galerien als auch vom Kunst- und Altmeisterhandel angewandt wird.

Solange das neue Gesetz ausschließlich auf dem Papier existiert, ist es faktisch nutzlos. Bereits die Streichung der bildenden Kunst aus der Liste steuerbegünstigter Kulturgüter in der EU-Mehrwertsteuerrichtlinie war fatal. Bis zum Zeitpunkt der Vertragsklage durch die EU setzte sich Deutschland sinnvollerweise darüber hinweg. Denn mit der Ermäßigung wurden die besonderen Leistungen und Risiken der Künstlerförderung durch die Galerien und die Pflege des kulturellen Erbes durch den Kunsthandel jahrzehntlang honoriert.

Dies muss mit dem neuen Instrument der 30%-Pauschalmarge fortgesetzt werden. Der BVDG fordert deshalb deren sofortige unkomplizierte und unbeschränkte Anwendung durch Galerien und Kunsthandel - ganz im Sinne der Gesetzesbegründung, wonach 1. Nachteile ausgeglichen werden sollen, die durch den Wegfall des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes entstehen, 2. eine Schwächung des Kunststandorts Deutschland vermieden und 3. einer in Frankreich geltenden Regelung entsprochen werden soll.
Dass ein von Bundestag und Bundesrat verabschiedetes Gesetz von den Länderfinanz-verwaltungen nach Gutdünken ausgelegt bzw. verhindert wird, ist ein Skandal, der schnellstens beendet werden muss.

Der deutsche Kunstmarkt steht in hartem Wettbewerb zu Ländern, in denen mit niedrigeren Steuern und ohne weitere Belastungen wie Folgerecht und Künstlersozial-abgabe sehr viel günstigere Rahmenbedingungen herrschen. Nicht nur weltweit, sondern – gravierend genug – direkt vor der Haustür, in der Schweiz.

Der BVDG setzt vor allem in den kunstmarktstarken Bundesländern auf die Einsicht der Politik. Kleine Galerien und der mittelständische Kunsthandel werden mit massiven wirtschaftlichen Verlusten konfrontiert, sollte sich die desolate Lage fortsetzen. Der Zusammenbruch einer hoch ambitionierten Kulturbranche in Städten wie Berlin, Köln oder München kann nicht gewollt sein. Die Zeit drängt!

 

Abbildung: Courtesy Galerie Christian Lethert Koeln | Arco Madrid | Foto Simon Vogel 2008

Courtesy Galerie Christian Lethert Koeln | Arco Madrid | Foto Simon Vogel 2008