18.01.2013 | Birgit Maria Sturm: Zur Steuer-Frage und dem heiklen Thema Loyalität
Birgit Maria Sturm, die aktuellen Steuer-Fragen und das heikle Thema Loyalität
Informationsdienst KUNST: Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat kürzlich Sie als Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Galerien und Kunsthändler sowie den Vorsitzenden, Klaus Gerrit Friese, ausdrücklich gelobt und Ihnen beiden, stellvertretend für alle Beteiligten, herzlich gedankt, weil das Mehrwertsteuer-Problem nach zahlreichen Experten-Meetings und der Bundestagszustimmung gut gelöst sei und „alle mit dem Ergebnis zufrieden sein können“. Damit meinte Neumann gewiss nicht nur den Zeitgewinn, die Verschiebung der neuen Umsatzsteuer-Bemessung um ein Jahr, auf den 1. Januar 2014. Kann der BVDG als Interessenvertretung des Kunsthandels mit der Neuregelung tatsächlich zufrieden sein?
Birgit Maria Sturm: Die Fristverlängerung hat für alle Marktakteure den Vorteil, sich auf die neue Situation einzustellen und ein Jahr lang unter der optimalen 7%-Regelung weiter zu arbeiten. Wir konnten das Ziel einer erträglichen Kompensation für den Verlust der steuerlichen Ermäßigung nur in dem Rahmen, den die EU vorgab, erreichen. Wir können nicht zaubern, sondern werden im nächsten Jahr pragmatisch das Bestmögliche aus den Rahmenbedingungen herausarbeiten, so dass es hoffentlich zu einem unbürokratischen, einfachen Anwendungsmodus für Galerien und Kunsthandel kommt. Das muss auch im Sinne des Finanzamtes um die Ecke sein. Also ist das Bundesfinanzministerium zu einer guten Zusammenarbeit mit dem Kulturstaatsminister unter Einbeziehung der Markkenntnisse des BVDG gefordert. Und der BVDG wiederum braucht - und hat - eine starke Basis, auf die wir zurückgreifen können, wenn es um zu klärende Details geht.
Informationsdienst KUNST: Fiskalische Begriffe wie Differenz-Besteuerung oder Margen-Pauschale, wenn der Einkaufspreis nicht mehr ermittelbar ist, klingen durchaus so, als würde für den einzelnen Galeristen fortan ein betriebswirtschaftliches Studium unumgänglich sein, wenn er in der täglichen Praxis bestehen und keine Fehler machen will. Was empfehlen Sie den BVDG-Mitgliedern; wie kommt Licht in den Paragraphen-Dschungel neuer Vorschriften?
Birgit Maria Sturm: Der BVDG wird rechtzeitig eine Art Handreichung mit Rechenmodellen entwickeln und seinen Mitgliedern zur Verfügung stellen. Dazu ist es jetzt zu früh und wir brauchen noch genauere Informationen, wie die 30-prozentige Margenbesteuerung in Frankreich praktiziert wird. Diese auf die deutsche Situation zu übertragen, wird abermals ein intensiver Prozess werden, bei dem wir auf den Support von erstklassigen Beratern angewiesen sind. Da sind wir gut aufgestellt, anderenfalls hätten wir das fast Unmögliche bisher nicht erreicht. Voraussetzung ist, dass wir Einfluss nehmen auf die politische Willensbildung, deren Fundament in der Begründung des neuen Steuergesetzes angelegt ist: "Eine Schwächung des Kunststandorts Deutschland soll vermieden werden." Das ist eine klare Aussage mit wirtschaftlichen Implikationen für die Zukunft. Wir setzen dabei auf unsere kulturpolitischen Mitstreiter, die sich bisher sehr für unser Anliegen engagiert haben. Dass wir ein Wahljahr vor uns haben, macht die Sache nicht einfacher.
Informationsdienst KUNST: Während Galeristen künftig weiterhin nur sieben Prozent Mehrwertsteuer zu entrichten haben, wenn sie direkt beim Urheber einkaufen, wird es für die Sammler wegen der 19 Prozent beim Regel-Satz wohl teurer, wenn er den üblichen Weg über die Galerie nimmt und nicht ebenfalls ins Künstleratelier geht, um dort preisgünstig eine Arbeit zu erwerben. Wird diese Erleichterung beim Atelier-Shopping nicht dazu führen, dass von 2014 an noch mehr Sammler - an den Galeristen vorbei – mehr oder weniger heimlich den direkten Künstler-Kontakt suchen?
Birgit Maria Sturm: Da sprechen Sie ein heikles Thema an. Die unterschiedliche Besteuerung schafft ein strukturelles Ungleichgewicht, das zu Atelierverkäufen verführt - die es allerdings auch schon vor dem Mehrwertsteuer-Drama gegeben hat. Der worst case in jedem Galeristenleben. Hier ist verstärkt Loyalität gefordert, zwischen Künstlern und Galerien, zwischen Galerien und Sammlern. Das ist nicht nur eine moralische Frage, die zu einem müden Lächeln führt. Es geht um langfristiges Denken und Handeln aller Beteiligten im eigenen Interesse. "Die Künstler sind nicht die alleinigen Urheber der Bedeutung ihrer Werke." Dieser Satz fiel vor ein paar Wochen auf der Kunsthandels-Konferenz, die der BVDG mit dem Frankfurter Allgemeine Forum angestoßen hat. Darin kommt der Kern einer primär durch die kontinuierliche Arbeit der Galerien auf den Wege gebrachten, ebenso ideellen wie materiellen Wertschöpfung zum Ausdruck, die sich in einem späteren Zusammenspiel mit dem Sekundärmarkt und den Institutionen entfaltet. Dieses Wasser werden sich weder die Künstler, noch die Sammler abgraben wollen.
(erschienen in: Informationsdienst Kunst Nr. 518, 20. Dezember 2012)