01.08.2023 | Walther König | ART COLOGNE-Preisträger 2023

Die Koelnmesse und der Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler freuen sich sehr, Walther König als diesjährigen ART COLOGNE-Preisträger bekanntzugeben. Erstmals wird ein Buchhändler und Verleger mit diesem Preis für besondere Leistungen der Kunstvermittlung geehrt.

Summary

Walther König (*1939) ragt mit seinem Lebenswerk als Verleger von Kunst- und Künstlerbüchern auf einzigartige Weise hervor. Weit über 4.000 Ausstellungskataloge, Monografien, Bildbände und Publikationen zur Ästhetik und Theorie der bildenden Kunst, Architektur und Fotografie sind seit Gründung seines legendären Verlagsbuchhandels im Jahr der Studentenrevolte 1968 erschienen.

Im Bücher-Kosmos von Walther König zentriert sich ein Netzwerk nahezu aller Akteure der internationalen Kunstszene – der Künstler und Autoren, der Museen und Galerien, der Sammler, Kunstwissenschaftler und Kulturfreunde. Walther König kennt den gesamten Kunstbetrieb von innen – und verschafft ihm Sichtbarkeit nach außen. Mit seiner Arbeit als Buchhändler und Verleger trägt er entscheidend dazu bei, dass ein Diskurs über bildende Kunst auf höchstem Niveau stattfinden kann. Mit seinen Kunstbuchhandlungen und Museumsshops ist er in zahllosen Städten präsent und auch auf der ART COLOGNE zieht sein stets aktueller Bücherstand seit Jahrzehnten das Publikum an.

 

Würdigung

Die ursprüngliche Firmierung Gebr. König Köln-New York wirft ein Licht auf Walther Königs großes Interesse an der amerikanischen Kunst. Der Wunsch, dort nach entsprechender Lehre einen Buchhandel zu gründen, war nicht realisierbar. Aber sein Bruder Kasper – später Direktor der Städelschule und des Portikus in Frankfurt sowie des Kölner Museum Ludwig – lebte dort.

Walthers Passion für das Buch und Kaspers Kontakte in der amerikanischen Kunstszene war die Basis einer höchst produktiven Zusammenarbeit. Dem Tandem gelang, was in dieser Zeit eine Seltenheit war: einen ersten Vertrieb für amerikanische Kunstliteratur aufzubauen. Dies war ihr Anteil an der „Achse Köln – New York“, die zu der bis heute anhaltenden Rezeption amerikanischer Kunst in Deutschland und deutscher Kunst in den USA führte. So waren etwa Seth Siegelaubs Books as Exhibitions nur über König zu beziehen. Jahrzehnte später wird Peter Weibel, ein bekennender book-addict, über Walther König sagen: „Er ist einer der wenigen Menschen auf der Welt, der mir Bücher zeigen kann, die ich nicht schon kenne.“

In der prosperierenden Galerienszene der 60er und 70er Jahre – wesentlich angetrieben durch den Kölner Kunstmarkt, den Vorläufer der ART COLOGNE – entwickelte sich der erste Buchladen mitten in einer Kölner Einkaufsmeile zu einem Treffpunkt der Künstler: „Wenn Joseph Kosuth oder Carl Andre oder wer immer ins Rheinland kamen, sagten sie ‚Ich hab fünf Kataloge mitgebracht, willst Du die haben‘? Sie bekamen eine Gutschrift und kauften dafür andere Bücher. Galeristen wie Ricke oder Zwirner machten ihre Sammler auf uns aufmerksam. Wir waren eine Art Poststelle. Die Leute gaben etwas ab und sagten: ‚Da kommt bestimmt irgendwann der Soundso vorbei, kannst Du ihm das mitgeben?‘“

In diesem Klima führt Walther König sein Haus wie ein Autorenverlag. Die direkte, persönliche Kooperation mit den Künstlern war für ihn von Anbeginn maßgeblich. Bis heute, im Zeitalter der Digitalisierung, dient ein eigenes Buch als „perfektes Medium, um künstlerische Ideen zu formulieren“ – und: Es ist eine „Investition in die Zukunft der Künstler“. Kunstbücher zu verlegen ist nicht nur eine komplexe organisatorische, sondern auch ihrerseits eine künstlerische Tätigkeit. Dieser Aspekt kulminiert im Prozess der Entstehung eines Künstlerbuches.

Ein Künstlerbuch ist die Abweichung vom Buch und manchmal seine Vollendung. Nie ist der Verleger dem Künstler so nah. Ein artists‘ book ist nicht immer ein Buch; es kann ein Objekt sein, eine Mappe, ein Heftchen, eine Schachtel, ein Konzept oder ein Experiment. Künstlerbücher werden weniger gelesen als betrachtet. Ihr Ort ist eher die Vitrine als das Regal. Die oft niedrigen Auflagen – auch Unikate kommen vor! – sind vertriebsscheu, bleiben mitunter lange beim Verleger oder Künstler, bis sie ein wahrer Kunstfreund zu sich nimmt. Nach Künstlerbüchern muss man fragen, sie stehen nicht im Sortiment (bei König schon). Künstlerbücher mögen keinen Hugendubel, denn sie haben einen König, der sie auf Händen trägt.

Ernst Brücher, Verleger von DuMont und nicht ganz so bekannt wie seine Schwester Hildegard, war in Walther Königs Anfangsjahren hilfreich mit Rat und Tat. In seiner Lehrwerkstatt entstand 1969 die zweite Edition der schier endlosen Reihe an Künstlerbüchern: „Objekte benutzen“ von Franz Erhard Walther. Die allererste Edition erschien im Jahr zuvor: Eine Leporello-Serie mit einem computergenierten, unendlich variablen Poem von Alison Knowles. Die Auflage konnte damals nur von einem Spezialgerät bei Siemens in München gedruckt werden. Das Unternehmen hatte die Auflage gesponsert – es wäre ansonsten nicht finanzierbar gewesen.

Im Gespräch mit Walther König erscheint die Arbeit des Verlegers wie großes Kino voller Abenteuer und kurioser Ereignisse. Das Buch über die Storys der Künstlerbücher muss noch geschrieben werden. Eine Ausstellung dazu gab es bereits. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt widmete Walther König und „seinen“ Künstlerbüchern im Sommer 2022 eine eigene Schau. Zu diesem Anlass wurde erstmals eine (fast) vollständige Liste erstellt – mit über eintausend Titeln! Folgend ein kleiner Querschnitt (in Klammern die Anzahl der unterschiedlichen Editionen):

John Baldessari (4), Thomas Bayrle (10), Bernhard Johannes Blume (4), Christian Boltanski (9), Jake & Dinos Chapman (2), Hanne Darboven (4), Maria Eichhorn (6), Robert Filliou, Isa Genzken (3), Dan Graham, Jenny Holzer, Ilya Kabakov (9), William Kentridge (8), Maria Lassnig (2), Sarah Lucas, Matt Mullican, Gabriel Orozco (6), Elizabeth Peyton (3), Jason Rhoades, Anri Sala (2), Thomas Scheibitz (10), Thomas Schütte (4), Cindy Sherman, Lawrence Weiner (6), Heimo Zobernig (12).

Spitzenreiter sind Wolfgang Tillmans mit 15, Martin Kippenberger mit 22 und Jonathan Meese mit 26 Künstlerbüchern, die teilweise in Kooperation mit Kollegen entstanden sind. Überstrahlt wird die Verlagsarbeit von Walther König mit 46 Titeln von und zu Gerhard Richter – darunter der vierbändige „Atlas“, der alle Vorlagen und Bildquellen für das eigene Werk des Künstlers versammelt. Erst jüngst erschien „mood“, ein von Richter entworfenes Flatbook mit Tintenskizzen und Aphorismen.

Die Keimzelle in der Kölner Breite Straße 93 existiert bis heute als Postkartenladen mit Museumsshop-Sortiment. Besucher werfen gerne einen Blick auf die Decke, die vor Jahrzehnten von Thomas Schütte in voller Fläche bemalt wurde. Seither hat sich ein weit gespanntes Netz an Filialen entwickelt.

Keine größere Stadt in Deutschland ohne einen König-Buchladen, kaum ein größeres Museum ohne König-Bookstore mit einer auf das Haus oder die jeweiligen Ausstellungen abgestimmten Auswahl an Literatur – und natürlich: mit Shop-Artikeln. Wer liebt sie nicht, die Kippenberger-Bleistifte mit der Aufschrift „Heute denken morgen fertig“? Oder das erfolgreichste Künstlerbuch aller Zeiten, „Findet mich das Glück?“ von Peter Fischli & David Weiss, mit seinen ebenso witzigen wie abgründigen Fragen zur Welt und zum Leben für keine 10 Euro?

Durch die Museumshops ist der Name König nicht nur einer kleinen Kunstelite, sondern unendlich vielen Menschen bekannt geworden. Reproduktionen, Repliken und moderne Reliquien (vulgo Merchandising-Objekte) haben eine eigene kulturelle Bindekraft, nur eben anders als ein Buch oder eine Ausstellung. Auch das ist Kunstvermittlung im besten Sinne. Über 40 König-Buchhandlungen gibt es in Deutschland – darunter allein 16 in Berliner Museen –, dazu einige im europäischen Ausland: in Amsterdam, Brüssel, London, Mailand, Paris und Wien.

„For Walther, who will have the first bookstore on Mars, I´m certain.” Diese Prophezeiung von John Baldessari findet sich in einem herrlichen Buch zu Walther Königs 60. Geburtstag. Bis es soweit ist, befindet sich die Herzkammer von Walther Königs Kunstbuch-Universum in der Ehrenstraße 4 in Köln. Der mehrstöckige, rote Backsteinbau wurde 1981 bezogen und ist schon wegen der vier riesigen Buchobjekte von Julian Opie an der Fassade nicht zu übersehen.

Ein Paradies – nicht nur für Freude zeitgenössischer bildender Kunst. Das exzellente Sortiment kunstgeschichtlicher Literatur zu allen Epochen, aus allen Ländern und Sparten wird von Königs Ehefrau Jutta Linthe betreut. Hinzu kommen Publikationen zu Design und Architektur, über Fotografie und Mode, Philosophie und Kunstwissenschaft. Die Kultur in Buchgestalt ist (fast) lückenlos in ihrer gesamten Breite aus dem In- und Ausland vorhanden. Kein Wunder, dass der „König auf der Kommandobrücke“ (Udo Kittelmann) zum Lieferanten von Neuerscheinungen für zahllose internationale Museen und Bibliotheken avancierte. Und weil Königs schon immer eine Kunst-Familie waren, ist auch Sohn Franz längst in die Geschäftsleitung eingetreten.

Last but not least eine Lobpreisung auf Königs Mitarbeiter aus der Feder eines Szenekenners (Henner Voss): „Könner umgeben sich mit Assen. Jeder seiner Mitarbeiter kann aus dem hohlen Bauch kleine would-be-Vorlesungen über Kunsttheorie, prähistorische Höhlenmalerei oder die 'Schachtel im Koffer' von Duchamp halten. Nie dozierend oder herablassend, sondern präzise und mit unaufdringlicher Gefälligkeit.“ Genauso wie der Chef.

Text: Birgit Maria Sturm, BVDG

 

Der ART COLOGNE-Preis für Kunstvermittlung ist mit 10.000 Euro dotiert und wird jährlich von der Koelnmesse und dem Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler vergeben.
Wie jedes Jahr wird Walther König auf der ART COLOGNE im Eingangsbereich mit einem großen Bücherstand vertreten sein. Am Freitag, den 17. November 2023 um 10 Uhr wird er im Historischen Rathaus zu Köln den ART COLOGNE-Preis entgegennehmen.

Bisherige Preisträger:innen (Auswahl): Ileana Sonnabend (1988), Harald Szeemann (1989), Annely Juda (1993), Rudolf Springer (1995), Johannes Cladders (2000), Ingvild Goetz (2001), Nicolas Serota (2004), Harald Falckenberg (2009), Fred Jahn (2013), Rosemarie Schwarzwälder (2014), Günter Herzog (2017) und Julia Stoschek (2018) und Monika Sprüth (2022).

Zitate aus:
Art & book & friends: ein Album für Walther König. Edition Hans-Jörg Mayer, Köln 1999
Kasper König – The Formative Years. Hrsg. Zentralarchiv des Internationalen Kunsthandels, Nürnberg 2014

 

Walther König | © Hartmut Nägele