10.07.2023 | Kunstmarkt | Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft 2022

Wie sieht es in Deutschlands Kunstmarkt wirtschaftlich aus? Auf der Suche nach Daten, Zahlen und Fakten über den Kunstmarkt wird man im "Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft" fündig, der vom Wirtschaftsministerium und der obersten Kulturbehörde des Bundes herausgegeben wird.

Der jährlich erscheinende „Monitoringbericht Kultur- und Kreativwirtschaft“ basiert auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der Umsatzsteuerstatistik. Zugegeben, das hört sich alles schrecklich nüchtern an – weshalb dieser Bericht mit seinen Zahlenkolonnen auch bis heute von der Wirtschaftspresse, den Feuilletons und der Kunstmarkt-Berichterstattung ignoriert wurde. Dort ist man fokussiert auf die Reports von UBS, Hiscox, Tefaf, Deloitte etc., die jedoch vornehmlich die High End-Umsätze des Blue Chip-Marktes und der internationalen Auktionshäuser in den Blick nehmen. Kein Wunder, dass das falsche Bild von der Goldgrube Kunstmarkt nicht verblasst.

Der aktuelle Kulturwirtschafts-Bericht bezieht sich auf das zweite Coronajahr 2021. Allein das Tableau mit den „Zentralen Kennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft“ lohnt der genaueren Betrachtung. Es setzt die Kulturmärkte in ein Verhältnis zueinander sowie in Bezug zur Gesamtwirtschaft. Die Grafik visualisiert die Umsätze: Die Software/Games-Industrie überragt – wie in den Vorjahren – mit knapp 57 Mrd. Euro Jahresumsatz sämtliche Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland. Der Kunstmarkt stellt mit 2 Milliarden Euro Umsatz die kleinste Einheit dar (2020: 1,4 Mrd).

Jedoch: Auch diese Studie ist mit Vorsicht zu genießen. So fragt man sich, woher die rund 44.000 Erwerbstätigen im Kunstmarkt herkommen? Hier wurden auch alle Künstler:innen plus vermutlich einige Tausend, die sich einfach nur als solche bezeichnen, mitgezählt. Und die zahllosen kleinen Bilder & Poster-Shops sowie die Antik-Trödelläden.

 

Die rund 2 Mrd. Euro Kunstmarkt-Umsatz setzen sich laut Bericht wie folgt zusammen:

- Einzelhandel mit Kunstgegenständen: 767 Mio. Euro
- Bildende Künstler:innen: 707 Mio. Euro
- Museen: 309 Mio. Euro
- Einzelhandel mit Antiquitäten: 263 Mio. Euro

Kommentar des BVDG:

- Entscheidend für den Markt mit bildender Kunst ist der Einzelhandel mit Kunstgegenständen (= Galerien und Kunsthandel).

- Bei den Umsätzen der Künstler:innen wird leider nicht deutlich, in welchem Verhältnis Selbst- und Fremdvermarktung zueinander stehen – also, wie hoch der Anteil aus Atelierverkäufen einerseits und andererseits aus Veräußerungen über Galerien ist.

- Dass die Umsätze der Museen zum Kunstmarkt hinzugezählt werden, ist grundsätzlich fragwürdig. Hiermit sind neben den Ticket- auch die Museumsshop-Verkäufe gemeint. Eintrittskarten, Bücher und Merchandising-Artikel gehören keinesfalls in die Umsatzstatistik des Kunstmarkts.

- Ein weiterer Mangel: die Umsätze der Auktionshäuser werden ausgeblendet. Somit bleibt ein bedeutender Teilbereich des deutschen Kunstmarktes unberücksichtigt. Grund hierfür ist, dass die „Versteigerer" durch die Statistiker generell einer anderen Wirtschaftsklasse (in der sog. Klassifikation der Wirtschaftszweige) zugeordnet werden.

 

Trotz der genannten Defizite lohnt sich die Beschäftigung mit dieser Studie – man muss eben genau hinschauen und die Knackpunkte, die in jeder Statistik schlummern, bedenken. Die Zahlen basieren jedenfalls nicht auf Umfragen und Selbstauskünften, sondern auf amtlichen Erhebungen.

Der "Monitoringbericht zur Kultur- und Kreativwirtschaft“ sollte endlich wahrgenommen werden. Er spiegelt die Realität und die Kontexte der Kulturmärkte und des Kunstmarktes in Deutschland viel besser als jene nicht-validen „Studien“, die den Kunstmarkt primär international betrachten und von deren Zahlen sich die Medien leiten lassen.

Alle haben darüber berichtet, online und analog – doch nirgends drang eine Relation in den Blick: Die „Dame mit Fächer“, das letzte Gemälde von Gustav Klimt, wechselte jüngst bei Sotheby´s in London incl. Aufgeld für 85 Mio. Pfund (ca. 99 Mio. Euro) den Besitzer. Man mache sich diesen Vergleich einmal klar: An EINEM Abend wird EIN Bild in England für ein Achtel des Umsatzes mit Kunstgegenständen verkauft, der in Deutschland von Galerien und Kunsthändlern in einem ganzen Jahr erwirtschaftet wird!                                         

Der Kunstmarkt in Deutschland ist kleinteilig, aber hochambitioniert. Er ist kein Tummelplatz für Ultrareiche. Seine Akteure, vor allem die Galerien und die Kunsthändler, arbeiten mit Herzblut und sind ein Motor des Kunstbetriebs. Ihr Beruf ist ihre Leidenschaft und sie verfügen über eine enorme Expertise; sie werden nicht subventioniert, bekommen nichts geschenkt; sie drehen im Karussell der Kunstvermittlung, der Ausstellungen und Messen ein großes Rad und investieren in junge Talente. Im Gegenzug sind sie von Abgaben und Bürokratie eingekesselt und werden im Vergleich zu ihren Künstler:innen steuerlich ungleich behandelt. Darüber gibt der Kulturwirtschaftsbericht keine Auskunft – und deshalb steht es hier.

 

 

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